IM Jakob Meister gewinnt das 7. Gulweida-Warneyer-Gedenkturnier 2007

IM Jakob Meister gewinnt das 7. Gulweida-Warneyer-Gedenkturnier 2007

Am 29. und 30. September hat der Schachklub Tempelhof sein traditionelles neunrundiges Schnellturnier unter der Schirmherrschaft des Vorstehers der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof- Schöneberg Rainer Kotecki im Casino des Rathauses Schöneberg veranstaltet. Die Gewinner dieses beliebten Turniers waren 2001 GM Robert Rabiega, 2002 und 2003 die IM Ilmars Starostits und Holger Ellers, 2004 IM Ulf von Herman und 2005 und 2006 GM Sergej Kalinitschew, der auch wieder dabei war und damit die Chance hatte, das Turnier zum dritten Mal in Folge zu gewinnen und den Wanderpokal des Bezirksverordnetenvorstehers endgültig zu erobern.

Leider war der Schirmherr zur Begrüßung der Teilnehmer verhindert, aber Alfred Seppelt, der Ehrenpräsident des Berliner Schachverbandes und Dr. Matthias Kribben, dessen Präsident, waren als Ehrengäste erschienen, wobei letzterer auch das Turnier mitspielte. Olaf Warneyer, der Sohn eines der beiden ehemaligen Vorsitzenden des Schachklubs Tempelhof, war am ersten Turniertage, an dem sich seines Vaters Horst Warneyers Todestag zum neunten Male jährte, ebenfalls anwesend. Besonders erfreut war der SKT-Vorsitzende jedoch über die Teilnahme der beiden in Budapest beheimateten SKT-Mitglieder FM  László und FM Oliver Mihók, Vater und Sohn, die den Schachklub Tempelhof in der gerade angelaufenen Saison der Berliner Mannschaftsmeisterschaft an den ersten beiden Brettern der ersten Mannschaft vertreten werden.

Unter den insgesamt 60 Teilnehmern befanden sich sechs Titelträger und insgesamt 23 gesetzte Teilnehmer mit einer Wertungs- bzw. Elo-Zahl über 1900. Der Turnierdurchschnitt betrug beachtliche 1825 Punkte. Ursprünglich waren knapp 30 Punkte weniger ermittelt worden, was daran lag, dass einige Spieler ihre genauen Zahlen nicht wussten und diese erst nach dem Turnier ermittelt werden konnten. Die Teilnehmer spielten am ersten Tage fünf und am zweiten noch einmal vier Partien mit einer Bedenkzeit von 30 Minuten je Spieler und Partie. Dabei ging es um einen Preisfonds von insgesamt € 1.125, von dem der Sieger der Gruppe der gesetzten Spieler mit einer Wertung von über 1900 allein € 400 erhalten sollte und dem Gewinner der ungesetzten Spieler winkten immerhin noch € 200. Außerdem waren Sonderpreise für die jeweils besten beiden Damen, Senioren und Jugendlichen von insgesamt € 180 ausgesetzt. Schließlich wurden unter den 59 Teilnehmern, die das Turnier bis zum Ende durchgestanden hatten, aber leer ausgegangen waren, noch insgesamt fünfzehn vom Bezirksverordnetenvorsteher, vom Sponsor Elektroschach und vom Vorsitzenden des Schachklubs Tempelhof gestiftete Sachpreise verlost.

Nach einem spannenden Kampf an der Spitze des Teilnehmerfeldes erreichte der als Favorit an den Start gegangene GM Sergej Kalinitschew, der Sieger der beiden Vorjahre, zwar achtbare sieben Punkte, musste sich jedoch mit dem zweiten Platz begnügen; den Sieg schnappte ihm IM Jakob Meister, der zum ersten Male an diesem Turnier teilnahm, mit einem ganzen Punkt Vorsprung weg. Meister blieb ungeschlagen und musste nur an Oliver Mihók und Jürgen Brustkern je einen halben Punkt abgeben, während der ebenfalls ungeschlagene Sergej Kalinitschew viermal remisierte, nämlich gegen Oliver Mihók, Rainer Puhlmann, Simon Prudlo und László Mihók. Die Plätze drei bis fünf teilten sich mit je sechseinhalb Punkten IM Drazen Muse, der erst vierzehnjährige FM Oliver Mihók, der ganz offensichtlich am Beginn einer beeindruckenden Schachkarriere steht, und FM Jürgen Brustkern.

Bemerkenswert sind die Leistungen der beiden besten ungesetzten Spieler Dirk Sagasser und Uwe Zeidler, die mit sehr guten sechs Punkten die Ränge 11 und 12 erreichten. Dabei konnte Sagasser, der sich seiner Verluste gegen Drazen Muse und seinen Vereinskameraden László Mihók nicht zu schämen braucht, in der letzten Runde den deutlich stärkeren Dr. Kribben in einer nervenzerfetzenden Zeitnotschlacht schlagen. Auch Zeidler spielte ein prachtvolles Turnier und musste nur gegen Puhlmann und Muse die Waffen strecken. Auch die Remispartien erzielten beide Spieler gegen starke Gegner.

Bester Senior wurde Peter Bogomolni mit fünfeinhalb Punkten und dem 15. Platz vor dem punktgleichen Horst Nietsch, der auf Platz 18 landete. Der beste Jugendliche Alexej Kropmann erreichte mit genau 50% der möglichen Punkte den 28. Platz mit einem hauchdünnen Wertungsvorsprung vor dem gleich dahinter folgenden Dominik Röpke, und die beste Dame Ursula Klevenow kam mit vier Punkten auf Platz 43, die zweitbeste Dame Sonja Mahler blieb einen halben Punkt dahinter auf Platz 46.

In der Turniertabelle erscheint die jeweils höchste der bis zu drei Wertungszahlen jedes Spielers, nämlich FIDE-Elo, DWZ oder FVS-Elo (Betriebsschach). Diese Wertungszahlen beziehen sich auf normale Turnierpartien und sind deshalb mit Schnellturnierergebnissen nur bedingt vergleichbar, dennoch sen sich die Turnierleistungen der Teilnehmer aus dem Turnierdurchschnitt und der erzielten Punktzahl grob abschätzen, die kampflosen Punkte sollte man jedoch aus dem Spiel sen oder sie für eine näherungsweise Schätzung jeweils durch ½ ersetzen. Wie gesagt, das sollte man nur als einen über den Daumen gepeilten Hinweis zur Bewertung der eigenen Leistung sehen.

Punkte Leistung
8,0 2170
7,5 2098
7,0 2042
6,5 1992
6,0 1947
5,5 1905
5,0 1865
4,5 1825
4,0 1785
3,5 1745
3,0 1703
2,5 1658
2,0 1608
1,5 1552
1,0 1480

Die Turnierleitung oblag dem Spielleiter, stellvertretenden Vorsitzenden und Webmaster des SKT Tilo Schumann, der von den „alten Hasen“ Dirk Sagasser und André Buttkus, die sich um die Leitung dieses Turniers schon in früheren Jahren verdient gemacht haben, unterstützt wurde. Da in Streitfällen auch eine versierte Turnierleitung einmal fehlgreifen kann, wurde aus dem Kreise der Turnierteilnehmer ein Schiedsgericht gewählt, das aus FM Lászó Mihók, Reinhard Baier und Matthias Halbohm bestand, aber glücklicherweise unbeschäftigt blieb.

Auch diesmal bat der Veranstalter alle Spieler, besonders gelungene Partien zur Verfügung zu stellen, also elegante Gewinnpartien, trickreiche Remisen oder böse Reinfälle zur Abschreckung mitzuteilen. Davon wurde leider wenig Gebrauch gemacht, ausgenommen László Mihók, der zwei sehr interessante Stellungen ausgesucht und analysiert hat, und Oliver der seine hochinteressante Partie aus der Endrunde beisteuerte. Letztere war leider unkommentiert, aber zur entscheidenden Stellung habe ich mir einige Gedanken gemacht um klarzustellen, warum der Großmeister die Dame hergab.

Dirk Sagasser – FM László Mihók

[img_assist|nid=112|title=Doppelangriff|desc=|link=none|align=left|width=250|height=250]In der siebenten Runde musste Dirk Sagasser gegen seinen Vereins- und Mannschaftskollegen László Mihók antreten, und es kam zu einer Stellung, in der er mit einem Doppelangriff am Drücker war. 1.Sg5 Dg4 2.Sxh7 Sxh7 3.Lxh7+ Kh8 4.Lf5 Dg5 5.Lxd7 Die Alternative 5.e4 De7 wäre günstiger für Weiß. 5… Sd4 Der Springer demaskiert den Läufer mit Mattdrohung. 6.e4 Sf3+ 7.Kh1 Dh5 8.gxf3 Dxf3+ 9.Kg1 Tcd8 (Warum hat sich Schwarz 9… Lxe4 mit Mattdrohung und Angriff auf die Dame entgehen lassen? Es ginge schnell zuende: 10.Dxe4 Dxe4 11.Lxc8 Txc8 nebst 12… Tc6 oder 11.La4 Tfd8 nebst Td6 usw., und die Rettungsmöglichkeit nach 10.Dd3 wäre ausgeschaltet gewesen. Auch 11.h3 [Fritz] ist hoffnungslos. HPK) 10.La4 Hier erlaubte 10.Dd3 Dxd3 11.Sxd3 Txd7 12.Sxc5 bxc5 13.f3 Td4 14.Le3 Txc4 etwa gleiche Chancen. 10… Td6 11.Ld1 Tg6+ aufgegeben.

FM László Mihók – Alexander Meister

[img_assist|nid=113|title=Königsschwäche|desc=|link=none|align=left|width=250|height=250]In der neunten und letzten Runde traf László Mihók auf Alexander Meister, und für beide ging es um eine gute Platzierung; es war also für beide wichtig, den ganzen Punkt zu machen. In der erreichten Stellung geht der Bauer c6 verloren, aber die zweite Schwäche ist die schwarze Königstellung, und die wollte Weiß ausnutzen. 1.Sf4! (Nicht 1.Se5 f6 oder 1.Sc5 a5, weil die Bc6 und Bg3 ohne Kompensation hängen. HPK) 1… Txc6 2.Txc6 Txc6 3.Sh5+ Kh8 Besser wäre 3… Kf8. 4.Tf1 f5 5.g4 Tc8 6.Sf6 Dc6 (Der Damentausch käme dem Nachziehenden sehr gelegen. HPK) 7.De2 Tf8 8.g5! Kg7 9.Dh5 Th8??

[img_assist|nid=114|title=Stellung nach 7… Tf8|desc=|link=none|align=right|width=250|height=250]Die Folge nach 9…hxg5 10.Dxg5+ Kf7 ist unklar, dagegen gewinnt Weiß nach 10…Sg6?? 11.Sh5+ Kf7 12.Df6+ Ke8 13.Dxg6+. (Aber wie geht es nach 11.Kh7 weiter? HPK). 10.Sg4 hxg5? Auch nach 10… Kf8 11.gxh6 steht Weiß besser. (Wegen des Matts auf f7 war der Springer tabu. HPK) 11.Dxg5+ Sg6 12.Df6+ Kg8 13.Dxg6+ Kf814.Df6+ Kg8 15.Dg6+ Kf8 16.Txf5 + exf5 17.Dxc6 fxg4 18.Dxd5 aufgegeben.

In der letzten Runde war auch an der Tabellenspitze nicht alles klar, und Oliver Mihók musste gegen Sergej Kalinitschew antreten. Das versprach eine spannende Partie zu werden, und sie wurde es tatsächlich.

[img_assist|nid=115|title=Oliver Mihók – Sergej Kalinitschew in der kritischen Stellung der letzen Runde (Foto HPK) |desc=|link=none|align=center|width=300|height=205]

FM Oliver Mihók – GM Sergej Kalinitschew

Sizilianisch, Rossolimo-Variante [B30]

[img_assist|nid=116|title=Stellung nach 22… Dd7|desc=|link=none|align=right|width=250|height=250]1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.Lb5 Dc7 5.0-0 Sd4 6.Te1 Sg4 7.g3 Sxf3+ 8.Dxf3 Se5 9.Dd1 e6 10.f4 Sc6 11.Lf1 Le7 12.e5 d5 13.exd6 Dxd6 14.d3 0-0 15.Lg2 Td8 16.Se4 Dc7 17.Dh5 Sd4 18.Sg5 Lxg5 19.fxg5 Sxc2 20.Te4 e5 21.Th4 Lf5 22.Le4 Dd7 23.g6!fxg6 24.Dxh7+ Kf7 25.Lh6 Sxa1 26.Lxg7 Ke6 27.Lxf5+ gxf5 28.Dg6+ Kd5 29.Th7 De6 30.Dh5 Td7 31.Th6 Txg7 (Schwarz hat die Qualität, muss nun jedoch die Dame für Turm und Läufer geben, denn 31…De8? und 31… Dg8? führen nach 32.Df3+ schnell zum Matt, ebenso 31… Df7? 32.Df3+ Kd4 33.Th4+ f4 34.De4#. Zäher ist 32… e4 33.dxe4+ fxe4 34.Dd1+ Kc4, und den Rest habe ich mir aus Bequemlichkeit von Fritz zeigen lassen: 35.De2+ 35… Kb4 36.Lc3+ Ka4 37.Ta6+ nebst Matt, besser aber trotzdem nicht ausreichend wäre 35… Kd5 36.b3 Sxb3 37.axb3 Td6 38.Dd2+ mit Gewinn oder 5… Td3 36.Dxe4+ Td4 37. De2+ Kb4 38.Lxd4 cxd4 39.Th5 Dxh5 Erzwungen! 40.Dxh5 und gewinnt. HPK) 32.Txe6 Kxe6 33.Dh6+ Kf7 34.Dh5+ Kf6 35.Dd1 Weiß muss die Materialbilanz ausgleichen. 35… Td8 36.Dxa1 Txd3 37.Dc1 b6 38.Dh6+ Kf7 39.Dh5+ Kf6 40.Dh6+ Kf7 41.Dh5+ Ke7 42.Dxf5 Td1+ 43.Kg2 Td2+ 44.Kh3 Td5 remis gegeben. Die Stellung ist offen, die schwarzen Türme spielen nicht zusammen, und die Zeit war inzwischen auch knapp geworden, – also wurde der Punkt geteilt.

Insgesamt waren drei der Turnierteilnehmer an den Rollstuhl gefesselt, konnten aber den Turniersaal im zweiten Stockwerk mittels eines Fahrstuhls gut erreichen. Außerdem bekamen sie Einzeltische, so dass für sie und ihre Betreuer genügend Platz war. Leider ist das Spielen im Rollstuhl in vielen Schachvereinen problematisch, weil die Räume dafür einfach nicht geeignet sind und aus finanziellen Gründen meistens auch auf keine anderen Alternativen ausgewichen werden kann.

Auch diesmal war wieder für ein preiswertes Büffet gesorgt worden, das belegte Brötchen, Bouletten, Würstchen, Kartoffelsalat, Kuchen, Süßigkeiten, Kaffee, Tee und verschiedene kalte Getränke anbot. Es wurde von der SKT-Schatzmeisterin Edda Bicknase sowie Karola Mahlkow und Ingrid Pischner, deren Mann das Turnier mitspielte, betreut. Die Damen hatten Kuchen, Bouletten und Kartoffelsalat nicht nur selbst zubereitet, sondern netterweise auch gestiftet.

Nach der Siegerehrung bedankte sich der SKT-Vorsitzende beim leider abwesenden Schirmherrn für die Sachspenden und das freundlicherweise zur Verfügung gestellte Casino des Rathauses, beim Sponsor für die Sachspenden, bei allen Helfern für ihre Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung und nicht zuletzt bei den Spielern für die disziplinierte Turnierabwicklung. Den vier Helfern, die ebenfalls tatkräftig bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung teilgenommen haben, obwohl sie nicht Mitglieder des Schachklubs Tempelhof sind, dankte der Vorsitzende besonders herzlich und honorierte ihren Einsatz mit je einer Flasche Wein.

Viele der Teilnehmer haben schon öfter an diesem Turnier teilgenommen, und es ist offensichtlich, dass es ihnen immer wieder sehr gut gefällt, was mehrere von ihnen auch deutlich zum Ausdruck brachten. Deshalb lud H.-P. Ketterling alle Spieler besonders herzlich für den 27. und 28. September 2008 zum 8. Gulweida-Warneyer-Gedenkturnier wieder in das Rathaus Schöneberg ein und wünschte allen einen guten Heimweg.

Hans-Peter Ketterling

Fotos: HK = Heide Ketterling; HPK = Hans-Peter Ketterling