„Via la Claire!“ oder die neuen Leiden des SK Tempelhof

„Via la Claire!“ oder die neuen Leiden des SK Tempelhof

von Jürgen Brustkern

In der Stadtliga Staffel B sitzt dem Traditionsklub  aus dem Südwesten Berlins nach zwei Niederlagen gegen Weißensee und X-Berg III das Abstiegsgespenst im Nacken, Der in der letzten Saison souverän aufgestiegene SKT verlor gleich in der ersten Runde gegen das DWZ- Schwächere Team der“Ahlberg- Familie“SG Weißensee 49 mit 3,5:4,5 .In diesem Kampf konnte Tempelhof nur einen der drei Spitzenmänner aufstellen,der aus Budapest eingeflogene FM Laszlo Mihok konnte  sich zwar am Spitzenbrett gegen den älteren Ahlberg Bruder Mathias durchsetzen aber die ersatzgeschwächten Südberliner konnte im weiteren Verlauf des Kampf keine weiteren Akzente setzen.Nach zwei Partieverluste und fünf korrekten Punkteteilungen (u.a. von den gut aufgelegten Jugendlichen Adrian Sitte und Tim Teske) sprang am Ende ein nicht unverdienter Sieg Weißensee heraus.

Der Mannschaftskampf gegen die dritte Mannschaft von X-Berg stand leider unter keinen guten Stern.Zwar standen mit Spielertrainer FM Jürgen Brustkern und dem starken Dr.Martin Schmidbauer die bewährte „Speerspitze“ zu Verfügung,die kurzfristige Absage von dem Tempelhofer Urgestein Hartmut Grabinger  konnte nicht kompensiert werden und Tempelhof tratt nur zu Siebt an.

Nach einem fürchterlichen Eröffnungspatzer des Jungtalents Cornelius Pech(gegen X-Berger Urgestein Wilhelm Löhr) mußte der Student die Dame gegen und demzufolge ging Kreuzberg mit 2:0 in Front.Diese Tempelhofer „Pechsträhne“ setzte sich leider fort,denn mit sechs übrig gebliebenen Tempelhofer gerieten unter den bekannten psychologischen Mannschaftsdruck die Dinge auf dem Brett im Gewinnsinne zu verschärfen.

Der frischgebackene Großvater Peter Ketterling- eigentlich Stammspieler der zweiten MM- ließ sich trotz des Rückstandes nicht aus der Ruhe bringen, und sicherte gegen den DWZ- Stärkeren Gegner einen halben Punkt. Nach dieser Punkteteilung des Ex-Vereinspräsidenten(der 71 Jährige ambitionierte   Tennisspieler leitete über 10 Jahre die Geschicke des SKT und übergab im Oktober die Vereinsleitung an den 22 Jährigen Daniel Platt) passierte erst einmal wenig. Daut Tahiri war es dann der mit seinem riskanten Spiel (das“Evans- Gambit“ kam auf Brett)den Anschlußtreffer zum 1,5:2,5 erzielte. Der MM- Erfolg lag nun auf den Schultern von den Jungtalenten Teske und Sitte und dern Führungsspieler Schmidbauer und Brustkern.

Der“alte Schwede“ sorgte mit einem klassischen Spiegeropfer für den Ausgleich.

FM Brustkern – A. Lock

C00

1.e4, e6 2.d3!
„Natürlich“ muss der Seminarleiter des“Königsindischer Angriff im Stil Bobby Fischers! „-gehalten am Vereinsabend Freitag den 2.November-,quasi mit guten Beispiel vorangehen und den KIA- so die übliche Abkürzung – mit guten Beispiel vorgehen.Wobei die ehemalige Lieblingseröffnung von Schachkünstler Morozovich „eigentlich für die X-Berger N.1 Mike Pflantz „reserviert“ war..

2.- d5 3.De2!?
Zu dieser Alternative kam der k.u.k Schachoffizier am Vortragabend nicht, John Emms behandelt diesen Zug in seinem hervorragenden Buch (“King Idian Attack,Evreyman Chess,2005)auf S.68 ff. und betont ausdrücklich, dass der Damenzug eine gute Alternative zu dem üblichen Sd2 darstellt und nur nach d5 funktioniert.

3.-, Sf6
Nach 10 Minuten Brützeit zeigt mein Gegner Schachverständniss und fürchtet nicht den Tausch auf d5. Auf eine interessante Idee wies Moro hin nach 3.- Sc6 4.Sf3, de4 5.de4:, e5 öffnet Schwarz frühzeitig das Zentrum und vermeidet die weißen  Konzeptangriff(Be5 nebst Überführung aller Leichtfiguren zum Königsflüge)
4. Sf3 , Le7 5.g3, b6 6.e5, Sd7 7.Lg2, c5 8.Te1,Sc6 9.h4, h6!?

Mit dem ambitionierten Textzug legt Schwarz seine Karten auf den Tisch.Schwarz will lang rochieren und mit späteren g5 den weißen Königsflügel öffnen.

10.c4!
Hier zeigt sich der Vorteil,dass der Sb1 nicht frühzeitig entwickelt wurde,Weiß kann mittels c4+Sc3 Druck auf d5 ausüben.

10.-, dc4?
Ein lehrhafter Fehler, Schwarz mußte unbedingt die Stellung mit d4 geschlossen halten und mit nachfolgenden Dc7, langer Rochade nebst g5 zum Gegenangriff blasen.

11.dcc4:,Dc7 12. Sc3 , a6
(Notwendig denn  nach langer Rochade wäre Sb5 unangenehm)

13.Sd5!
Dies ist nicht unbedingt ein Zug den man so frühzeitig bei einem MM-Kampf spielen möchte.Aber die Folgen von nach 13.Lf4,g5 14.hg5,hg5 15.Lg5:,Lg5: 16.Sg5:,Sd4! waren mir trotz intensiver Brützeit nicht klar.Ich verliess mich einfach auf die Zugzahl 13.!D.h. Kasparov,war der 13.WM und hat am 13.April Geburtstag!

13.-, ed5 14. cd5, O-O-O
(Die kurze Rochade wäre wegen 15.e6 kritisch gewesen,aber Schwarz wollte „auf jeden Fall“ lang rochieren….)

15.Bf4!
Diesen starken Zug hatte Lock offensichtlich nicht auf den Radar.Die Drohung d6 fociert die folgende für Weiß vorteilhafte Abwicklung:

15.-, Sce5: 16.Se5:Se5: 17.Le5:
(Aber nicht De5: wonach Schwarz mit Ld6 zum Angriff kommt)

17.-, Ld6 18. Ld6:, Dd6: 19. Dg4+
und nach dem Gewinn des Bg7 gewann Weiß sicher das Schwerfigurenendspiel.

Die verbleibenden Tempelhofer Musketiere kämpften nun für den so dringend gebrauchten MM-Punkt. In der Zeitnotphase verschlechterten sich  vor allem die Positionen der Studenten:
Adrian Sitte Turmausflug stellte sich als zu optimistisch heraus, und Tims Gegner nutzte die geschwächte Bauernstruktur aus, und sammelte fleißig Material ein.
Der mehrmalige Tempelhofer Vereinsmeister. Schmidbauer wurde von seiner charmanten französischen Meisterin schon der der Eröffnung überrascht(„Ich war im c3 Sizilianer nach 5.Sa3 schon aus dem Buch!“Martin)und landete nach einem zweifelhaften Bauernopfer in folgende Stellung:

Clara de Bail  – Dr. Schmidbauer

Weiss: Kg1,Dc2,Te1, Lc1 Ld1, Ba2,b2,f3,g3,h2
Schwarz:
Kg8,Dh5, Td8, Lb5,Sf6,Ba6,e6,f7,g7

Die „Geheimwaffe“ der X-Berger(so der O-Ton MM-Leiter)verteidigte sich bisher hervorragend und konnte nun den Materialvorteil mit Ld1-e2 festhalten.

Aber mit 38. Dc2-c7 griff die die aus der  Nordfranzösischen Stadt Rennes stammende Studentin erstmals fehl:

37.-, Td8- d7?

Man kann den lange unter Druck stehenden Schwarzen keinen Vorwurf machen, dass er nicht das dynamische Qualitätsopfer 37.-, Td1:! spielte.Die Weißspielerin war in großer Zeitnot und hätte sich aufgrund der geschwächten weißen Felder gut Verteidigung müssen um die Punkteteilung zu erreichen.Z.B. 38.Td1:,Df3: 39.Dc2(Einziger Zug der das Kontermotiv Td8 vorbereitet)Se4  (Dies droht vor allem Le2 nebst Df2.Eine angenehme Alternative wäre sofort Lc6,wonach Weiß mit 40.Td8,Se8 41.Te8:,Le8 42.Dc8 das Remis anstreben muß) 40.Te1,Sg3: 41.Dg2,Se2 42.Te2,Le2 43.Df3: Lf3 44.Kf2 was ebenfalls zur Punkteteilung führen sollte.
Nach dem Textzug bekam der Tempelhofer Spitzenmann keine Chance mehr und wurde von der couragiert spielenden 22 Jährige sicher überspielt.
Dieses Beispiel zeigt ganz gut,dass sich der Besuch des vom Autor dieser Zeilen angebotenen Vorträge(„Das Erbe Petrosjan:Das positionelle Qualitätsofers!“ 28.Sept.2012) lohnen kann…
Da Tim und Adrian ihre Partien noch in den Sand setzen viel die Niederlage mit 2,5 zwar etwas hoch aber insgesamt verdient aus.

Fazit:

Nach zwei Runden haben sich Favorit Zugzwang und etwas überraschend Weiße Dame II mit dem Punktmaximum an die Tabellenspitze gesetzt.
Der SKT (0:4 MM-Punkte,6 BP)muss das nächsten Spiel gegen Schlusslicht Treptow (0:4MM Punkte 5 BP)unbedingt gewinnen, um nicht gleich in den  Abstiegsstrudel zu geraten. Aber um dies zu bewerkstelligen muss sich  die Spielbereitschaft der sogenannten“Stammspieler“ bei dem Traditionsklub erheblich verbessern.