Prolog:
Der SK Tempelhof 1931 verfügt über eine lange Tradition und ist nach BSG Eckbauer (*1827!) und dem SV Wilmersdorf (*1919 , der seit 1999 mit Lasker Steglitz fusioniert ist) einer der ältesten Schachvereine in Berlin. Ich bin ein sehr ein traditionsbewußter und werteorientierter Mensch, was ich auch in meinem Buch über den ältesten Schachkongress der Welt ausdrücken wollte („ 100 Jahre Schachturnier in Hastings“ Wie aus Träume Traditionen wurden“, Beyer Verlag 2021). Nach meinem Umzug nach Schweden 2011 überlegte ich mir gut, ob ich noch die Reisestrapazen auf mich nehmen sollte um für einen Berliner Verein anzutreten. Am Ende fiel meine Wahl auf den SK Tempelhof (SKT), der mir wegen seiner reichhaltigen Geschichte und dem lebendigen Vereinsleben gut gefiel. Der SKT spielte damals in der Stadtliga, und ich teilte mir am ersten Brett diese verantwortliche Aufgabe mit meinem Ungarischen FM- Kollegen Laszlo Mihok. Aufgrund mehrere Abgänge konnte der Traditionsverein die zweithöchste Liga in Berlin nicht halten, und „stürzte“ in die 1. Klasse ab. Aufgrund meiner guten Kontakte zu den Familien Klevenow, Ketterling und Martin Schmidbauer habe ich die Entwicklung des SKT nie aus Augen verloren. Vor meiner Reise zur Schach-Olympiade in Budapest habe ich mich entschlossen, dem SKT etwas unter die Arme zu greifen, und führte z.B. mit dem Olympia-Schiedsrichter Bernhard Riess vom „Nachbarn“ MSV- Mariendorf einige un-verbindliche Gespräche für die Saison 2025/26.
Volkstrauertag:
Aufgrund des schlechten Start der 1.Mannschaft (=MM), beschloss ich am letzten Sonntag dem Team mit meiner Präsenz moralische Unterstützung zukommen zu lassen (als FM „Vodoo-Meister“). Zwar sagte mir Martin für einen „Shuttle-Dienst“ ab, aber dafür zeigte Joachim echten Teamgeist, und holte mich zum Kampf gegen die Weiße Dame praktisch vor Haustür in Friedenau ab. Aufgrund wichtiger Belange der 2. MM, konnte das Team leider nur mit fünf Mann angetreten. Mit fünf SKT- Musketiere waren die Chancen gegen den Tabellenführer in dieser Staffel etwas greifbares nach Tempelhof zu entführen nicht gerade sehr groß. MM-Leiter David Bauer stellte gut auf, so dass die meisten Spieler wenigstens über den Anzugsvorteil verfügten. Ihr Berichterstatter hatte in seiner lange Schachkarriere zwar nur einmal erlebt, dass mit einer „Vorgabepartie“ ein Kampf gewonnen werden konnte (sechs „Zugzwängler“ gewannen Anno 2017 gegen Lasker Steglitz ), aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zum Schluss.
Kampfverlauf:
Mein ersten Rundgang führte ich nach 1,5 Stunden durch, und da sah es gar nicht mal so schlecht für den SKT aus:
Am ersten Brett fühlte sich Andre Buttkus mit seinem bewährten Colle- System sichtlich wohl, Tim Teske spielte gegen Grünfeld sein gewohntes Abspiel und erzielte Ausgleich , David Bauer zelebrierte gegen Königs- Indisch den vom Ex-WM Antoly Karpow häufig erfolgreich angewandten Sämisch- Aufbau, Joach-im Schröder ging im Paulsen- Sizilianer forsch mit g4 zu Werke und der Vietnamesische Neuzugang Bau Dang erzielte als Nachziehende schnellen Ausgleich. Nach weiteren 45Minuten kam leider Sand ins Getriebe. D.h. Tims starker Gegner Heinz Wirth konnte sich ungestraft mit der Dame auf b2 bedienen, und stand nach dem Zwischenzug Sc3, glatt auf Gewinn, Joachim Gegner war ebenso frech wie Wirth, was unserem Spielleiter m.E. gute Gegenspielchancen gab. Im Duell am Spitzenbrett hatte Andre ein Kombi-nation übersehen, die ihm nicht nur ein Minusbauer, sondern leider auch einen hässlichen Doppelbauer einbrachte.Am letzten Brett unterlief Bau, beim Versuch die Stellung durch Abtausch zu neutralisieren ein Folgenschwere Fehler und verlor dabei eine Figur. Alles Daumen drücken und „Vodoozauber“ halfen am Ende nichts mehr, und die Partien von Tim und Bau gingen nach 2,5 Stunden vergeblichen Widerstand verloren. Joachim hätte m.E. aussichtsreich mit dem typischen Sd5 und der damit verbundenen Aktivierung seines Weißfeldrigen Läufer gutes Gegenspiel erhalten können, aber nach einem Fehler ging auch seine Partie verloren. Beim Stande von 0:6 konnte ich aufgrund eines privaten Termins in Potsdam, das Ende der zwei letzten Partien nicht bis zum Schluss verfolgen. Groß war dann meine Freude, als ich im Ergebnisdienst sah, dass Andre seine verlorene Partie noch in den Remishafen führen konnte, und der Mannschaftsleiter David seine Funktion vorbildlich nachkam, und das Ehrentor zur 1,5:6,5 Niederlage schoss!
Fazit: Die psychologisch schwierige Situation hat sich nach der der deutlich Niederlage natürlich nicht groß-artig verbessert. Nach dem ersten Drittel der Saison ist im Prinzip noch genug Zeit um verlorenes Terrain wieder gut zu machen, und gibt einige Gründe optimistisch in die Zukunft zu schauen. Z.B. spielt David mit einer 2600 Performance (2,5/3!) eine herausragende Saison, und kommt seine Vorbildfunktion als MM-Leit-er im besten Stil nach! Da die nächste Runde erst im neuen Jahr stattfindet, ist noch genug Zeit die SKT- Top-Spieler für die nächsten schweren Kämpfe entsprechend zu motivieren.
Um sich quasi dafür warm zuspielen, werden zukünftig im Verein vielfältige Trainingsmöglichkeiten an-geboten. Z.B. gebe ich in dieser Woche (22.11.) ein Seminar zur Planfindung , am 3. Dezember wird uns Laszlo Mihok in die Geheimnisse der dynamischen Bauernführung einführen, und am 6.Dezember kann das zuvor erlernte selbstständig bei dem I. Tempelhofer- Nikolaus- Blitz-Turnier umgesetzt werden.
Wie der großartig Weltklassespieler Bent Larsen, halte ich mich für einen unverbesserlichen Optimisten, aber die Anzahl der kampflosen Spiele (sieben Bretter!), lassen nichts Gutes für das kommenden Jahr er-warten. D.h. ein möglichen Abstieg in die 2. Klasse wäre m.E. der absolute Supergau, denn dann befürchte ich, dass auch so treue Mitstreiter wie Martin, Andre und Daut nicht mehr für den SKT spielen werden, wonach der Verein völlig in die Bedeutungslosigkeit versinken würde.
Hoffen wir das Beste für unseren großen Traditionsverein: Hoch lebe der SK Tempelhof 1931!
FM Jürgen Brustkern